Stellungnahme der BX Swiss zum Entwurf der FIDLEV
Die BX ist als Selbstregulierungsinstanz heute zuständig für die Prospektprüfung bei prospektpflichtigen Transaktionen von an der BX kotierten Gesellschaften bzw. solchen, die ihre Finanzprodukte an der BX Swiss kotieren wollen. Aufgrund der praktischen Erfahrungen und des unmittelbaren Bezugs zum bestehenden Geschäftsfeld der Börse wird sich die BX voraussichtlich über eine neu zu gründende Tochtergesellschaft als Prüfstelle i.S. von Art. 52 Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) bewerben. Ebenso ist ein Lizenzgesuch als Registrierungsstelle i.S. von Art. 31 FIDLEG vorgesehen, da auf Basis der geplanten Systeme, personellen Ressourcen und Prozesse bei der BX ein hohes Synergiepotential zur ebenfalls öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Prüfstelle identifiziert wurde. Die nachfolgende Vernehmlassungsantwort basiert daher auf detaillierten Überlegungen, die sich die BX bereits im Hinblick auf die Übernahme der Aufgaben der Prüfstelle und der Registrierungsstelle gemacht hat.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass der vorgeschlagene Verordnungstext folgende Problembereiche aufweist bzw. ungelöst lässt:
Möglichkeit unerwünschter regulatorischer Arbitrage unter Prüf- und Registrierungsstellen
Sowohl für die Prüfstellen als auch die Registrierungsstellen, die das Beraterregister führt, sieht der Gesetzgeber insbesondere in folgenden Bereichen einen gewissen Ermessensspielraum vor:
Prüfstellen:
- Anerkennung der Gleichwertigkeit von Angaben nach Art. 37 Abs. 1 Bst. d und e FIDLEG;
- Anerkennung von ausländischen Handelsplätzen nach Art. 48 Abs. 1 Bst. b E-FIDLEV;
- Anerkennung von generell anerkannten Rechnungslegungsstandards nach Art. 51 Abs. 3 E-FIDLEV; sowie
- Anerkennung von Ländern bzw. deren Rechtsordnungen i.S. von Art. 54 FIDLEG.
Registrierungsstellen:
- Spielraum in den Anforderungen an die Registrierungsvoraussetzungen nach Art. 29 E-FIDLEV, insbesondere in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen nach Art. 6 FIDLEG.
Dieser Ermessensspielraum ist grundsätzlich zu begrüssen, denn er ermöglicht den Prüf- und Registrierungsstellen eine marktorientierte Ausübung ihrer Tätigkeit. Da jedoch davon ausgegangen werden kann, dass es ab Inkrafttreten des FIDLEG mehrere Prüfstellen und auch mehrere Registrierungsstellen geben wird, kann es ohne vorgängige und auch laufende Koordination durch die FINMA im Rahmen der oben genannten Ermessensspielräume unter den verschiedenen Prüf- und Registrierungsstellen zu unerwünschter regulatorischer Arbitrage kommen. Folgende Überlegungen könnten dies begünstigen:
- Zeitplan des Gesetzgebungsprozesses: Aufgrund des engen Zeitplans von der Gesuchsstellung bis zur Genehmigung durch die FINMA und der kurz darauf erfolgenden Aufnahme ihrer operativen Tätigkeit, werden die Prüf- und Registrierungsstellen nicht mehr ausreichend Zeit haben, sich untereinander auf einheitliche Kriterien zu einigen.
- Konkurrenzsituation: Auch wenn Prüf- und Registrierungsstellen nicht per se ertragsorientiert sein sollen, müssen sie zumindest über längere Zeit kostendeckend operieren und notwendige Weiterentwicklungen aus sich heraus finanzieren können. Aufgrund potentieller Skaleneffekte bei der Auslastung personeller und IT Ressourcen besteht daher ein Interesse, möglichst viel Geschäft über die eigene Prüf- oder Registrierungsstelle abzuwickeln.
- Fehlender Anreiz für einheitliche Kriterien: Die Prüf- und Registrierungsstellen haben weder ein inhärentes Interesse noch die gesetzliche Pflicht sich auf einheitliche Kriterien bei der Prospektprüfung bzw. der Eintragung von Kundenberaterinnen und -beratern zu einigen.
- Fehlende Organisations- und Subsidiärbestimmungen für eine einheitliche Regelung: Weder das FIDLEG noch der Entwurf der FIDLEV sehen Bestimmungen für den Fall vor, dass es zu keiner Einigung zwischen den Registrierungsstellen kommt. Es bestehen auch keine Organisationsanforderungen an eine solche Einigung wie bspw. wer den Vorsitz übernimmt oder ob eine Mehrheits- oder ein einstimmiger Beschluss erforderlich ist.
- Wahl des Gesuchstellers: Falls das Gesuch eines Gesuchstellers bei einer Prüf- bzw. Registrierungsstelle abgewiesen wird, kann der Gesuchsteller versuchen, das Gesuch bei einer anderen Prüf- bzw. Registrierungsstelle erneut einzureichen, um eine positive Beurteilung zu erlangen. Da ein zeitnaher und automatischer Datenaustausch zwischen verschiedenen Prüf- und Registrierungsstellen aus praktischen Gründen nicht möglich ist, wäre es im Übrigen auch nicht denkbar, dass sich eine Prüf- oder Registrierungsstelle in gewissen Fällen auf den negativen Entscheid eines anderen Anbieters abstützen könnte.
Die Prüf- und Registrierungsstellen haben sich in ihrem Tätigkeitsbericht zuhanden der FINMA zwar zur Koordination mit allfälligen weiteren Prüf- bzw. Registrierungsstellen zu äussern. Der Vernehmlassungsentwurf zum FIDLEV lässt jedoch offen, wie diese Koordination erfolgen soll und welche Zielsetzungen damit überhaupt erreicht werden sollen. Die bereits erwähnte fehlende zentrale Koordination unter Prüf- und Registrierungsstellen sowie die fehlende Zielsetzung einer solchen Koordination könnten nebst der Begünstigung von regulatorischer Arbitrage noch weitere unterwünschte Nebeneffekte mit sich bringen:
- Höhere Kosten für Marktteilnehmer: Bei fehlender zentraler Koordination muss jede Prüf- bzw. Registrierungsstelle in Bezug auf sämtliche vorerwähnten Aspekte ihres eigenen Ermessensspielraums eigene Abklärungen treffen und wird sich kaum auf Gutachten oder anderweitige Erkenntnisse stützen können, für welche bereits eine andere Prüf- oder Registrierungsstelle bezahlt hat. Diese zusätzlichen Kosten werden letztlich auf die Dienstleistungsnachfrager übertragen und damit zu höheren Gebühren führen.
- Tendenz zu tieferer Nivellierung des Anlegerschutzes: Es ist davon auszugehen, dass sich Berater dort registrieren werden bzw. Prospekte dort zur Prüfung eingereicht werden, wo die tiefsten Anforderungen bestehen oder tiefere Anforderungen gerade dadurch die tiefsten Kosten erlauben. Dies könnte dazu führen, dass sich die Qualität der erbrachten Dienstleistungen insgesamt in Richtung des tiefsten gemeinsamen Nenners bewegt.
Weite Definition des Begriffs «Kundenberater» und gleichbehandlung von computergestützten Systemen (bspw. Robo-Advisor) mit natürlichen Personen
Der Begriff Kundenberater wird in Art. 3 Abs. 1 Bst. e FIDLEG definiert. Man versteht darunter: «Kundenberaterinnen und -berater: natürliche Personen, die im Namen eines Finanzdienstleisters oder selbst als Finanzdienstleister Finanzdienstleistungen erbringen.»
Daraus ergibt sich, dass der Begriff Kundenberater weit auszulegen ist. Ein Kundenberater ist grundsätzlich jede nätürliche Person, die mit einem Kunden in Kontakt tritt und diesem gegenüber Finanzdienstleitungen erbringt. Andere Charakteristiken wie bspw. die interne Stellung innerhalb eines in- oder ausländischen Finanzinstituts, die Dauer der Tätigkeit und das Alter sind dabei nicht von Bedeutung. Tätigkeiten rein administrativer Natur wie bspw. das Einfordern von Dokumenten für die Erfüllung von Verhaltenspflichten sind keine Finanzdienstleistungen und bedürfen deshalb auch keiner Eintragung in das Register. Einer Eintragung bedarf jedoch schon die einmalige Erbringung einer Finanzdienstleistung durch einen Kundenberater.
Im Sinne der Technologieneutralität sollte die Eintragungspflicht in das Register auch für computergestützte Systeme gelten, die gleich wie eine natürliche Person Finanzdienstleistungen an Kunden in der Schweiz erbringen (bspw. Robo-Advisor). Auch solche Systeme müssen geprüft werden, ob diese Gewähr dafür bieten, dass die Verhaltenspflichten unter dem FIDLEG eingehalten werden und sie auf der Grundlage der erforderlichen Fachkenntnisse konzipiert wurden. Andernfalls würden natürliche Personen gegenüber computergestützten Systemen benachteiligt werden.
Fehlende periodische Erneuerung der Registrierungspflicht von Kundenberatern
Sobald eine Kundenberaterin oder ein Kundenberater in ein Beraterregister eingetragen wurde, sind der Registrierungsstelle nach Art. 32 E-FIDLEV zwar alle Änderungen von der Registrierung zugrunde liegenden Tatsachen zu melden, allerdings kann dadurch nicht in jedem Fall sichergestellt werden, dass die nach Art. 30 FIDLEG über das Beraterregister publizierten Informationen über einen längeren Zeitraum aktuell bleiben. Denkbar sind hier beispielsweise Fälle von ausländischen Finanzdienstleistern, die ihre Tätigkeit in der Schweiz aufgeben. Zudem könnte es sein, dass im Laufe der Zeit gewisse Aus- und Weiterbildungen nicht mehr als ausreichend oder relevant in Bezug auf die Anforderungen nach Art. 6 FIDLEG angesehen werden und ein Eintrag in das Beraterregister damit im Verlauf der Jahre aus Sicht des Anlegerschutzes an Bedeutung verliert. Ferner kann der Bundesrat gemäss Art. 28 Abs. 3 FIDLEG gewisse Kundenberaterinnen und -berater von ausländischen Finanzdienstleistern von der Registrierungspflicht ausnehmen, wenn Gegenrecht gewährt wird. In einem solchen Fall wäre beispielsweise unklar, ob bereits erfolgte Eintragungen gelöscht oder diese auf freiwilliger Basis weitergeführt werden sollten und wie sichergestellt würde, dass letztere überhaupt noch aktualisiert würden.
Um die Qualität der erbrachten Finanzdienstleistungen in der Schweiz auf Dauer sicherzustellen und auch Wettbewerbsneutralität zwischen den Schweizern und ausländischen Finanzdienstleistern zu gewährleisten, drängt sich eine wiederholte Prüfung der Kenntnisse der Verhaltensregeln und des Fachwissens auf. Nur so kann sichergestellt werden, dass dem Kundenschutz optimal und fortdauernd Rechnung getragen wird. In der Praxis findet in der Regel bei Schweizer Finanzinstituten ohnehin bereits ca. alle 24 Monate eine Wiederholung von Fähigkeits- und Fachwissensprüfungen statt. Diese Praxis sollte nicht die Ausnahme sein, sondern über eine gesetzliche Pflicht auch für ausländische Kundenberater gelten.
Ein Eintrag in ein Beraterregister sollte demnach nicht auf unbegrenzte Zeit gültig sein, sondern in regelmässigen Abständen von mindestens zwei Jahren erneuert werden.
Fehlende Bestimmungen zur materiellen Prüfung der Verhaltensregeln nach dem FIDLEG und dem für die Tätigkeit notwendigen Fachwissen bei ausländischen Kundenberatern
Gemäss Art. 6 FIDLEG müssen Kundenberaterinnen und -berater über hinreichende Kenntnisse über die Verhaltensregeln nach diesem Gesetz sowie über das für ihre Tätigkeit notwendige Fachwissen verfügen. Die Registrierungsstelle nimmt demnach eine Zugangskontrolle für die Erbringung von Finanzdienstleistungen von ausländischen Kundenberatern in der Schweiz wahr. Nur wer im Beraterregister eingetragen ist, darf grenzüberschreitend in der Schweiz Finanzdienstleistungen erbringen. Es ist deshalb wichtig, dass die Registrierungsstellen eine fundierte materielle Prüfung des Fachwissens und der Verhaltensregeln nach dem FIDLEG durchführen. Ansonsten droht die Registrierungsstelle zu einem blossen «Telefonbuch» mit rein formeller Eintragungswirkung zu werden, ohne materiellen Nutzen für den Kundenschutz. Eine fundierte materielle Prüfung drängt sich auch aufgrund der Wettbewerbsneutralität gegenüber Kundenberatern von Schweizer Finanzinstituten auf. Diesen obliegt nämlich gemäss Art. 22 FIDLEG die Pflicht dafür zu sorgen, dass deren Mitarbeiter über die notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.
Fehlende gesetzliche Grundlage zur Einforderung von (periodischen) Gebühren während der Eintragung der Kundenberater im Register
Auch nach dem Eintrag der Kundenberater im Register werden periodische Tätigkeiten des Beraterregisters anfallen. Solche Gebühren werden bspw. im Rahmen der periodischen Abgleichung der Namen der eingetragenen Kundenberater in gängigen Datenbanken (wie bspw. World Check) anfallen. Sie können jedoch auch in Einzelfällen auf Veranlassung der Eingetragenen bspw. durch Zusatzaufwände im Rahmen der Abklärung von bestimmten Sachverhaltssituationen anfallen. Es ist für eine kostendeckende Aktivität des Beraterregisters wichtig, dass für diese wiederkehrenden und für die ordentliche Bewirtschaftung des Registers notwendigen Aufwendungen ein Entgelt verlangt werden kann. Gebühren können jedoch im Rahmen von semi-hoheitlichen Tätigkeiten nur gestützt auf eine entsprechende gesetzliche Grundlage erhoben werden. Der jetzige Wortlaut der FIDLEV sieht nur die Möglichkeit der Erhebung einer einmaligen Gebühr vor. Es sollte deshalb ein entsprechender Zusatz in die FIDLEV aufgenommen werden.
Ungleiche Behandlung von Kundenberatern von Schweizer und ausländischen Finanzdienstleistern
Schweizer Finanzdienstleister, die einer prudenziellen Aufsicht in der Schweiz unterliegen, haben unter dem FIDLEG für eine angemessene Aus- und Weiterbildung der Kundenberater zu sorgen. Die angemessene Aus- und Weiterbildung wird im Rahmen der Aufsicht der Finanzinstitute überprüft. Bei Kundenberatern von Finanzdienstleistern, die nicht einer prudenziellen Aufsicht unterliegen, bspw. bei Vermögensberatern, wird die angemessene Aus- und Weiterbildung durch die Registrierungsstelle sichergestellt. Die Registrierungsstelle prüft im Sinne einer materiellen Prüfung, ob ein solcher Kundenberater über die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse zur Berufsausübung bzw. bezüglich den Verhaltenspflichten unter dem FIDLEG verfügt. Eine solch materielle Prüfung der Fähigkeiten und Kenntnisse der Verhaltenspflichten unter dem FIDLEG nimmt die Registrierungsstelle auch für ausländische Kundenberater vor, die grenzüberschreitend im Schweizer Markt für Schweizer Kunden oder in der Schweiz Finanzdienstleistungen erbringen. Daraus folgen unseres Erachtens die folgenden Schlüsse:
- Keine weitgehenden Ausnahmen von der Eintragungspflicht im Sinne von Art. 28 FIDLEG: Die Eintragungspflicht für ausländischen Kundenberater in das Register muss aus Gesichtspunkten der Wettbewerbsneutralität zwischen Schweizer und ausländischen Kundenberatern für ausländische Kundenberater umfassend gelten. Auf Ausnahmen im Sinne von Art. 28 FIDLEG sollte deshalb grundsätzlich verzichtet werden. Das gebietet auch der Grundsatz «same business, same risk, same rules». Einer der wichtigsten Schutzgedanken des FIDLEG ist der Kundenschutz. Es kann einem Schweizer Kunden bzw. einem Kunden in der Schweiz nicht zugemutet werden, ausländische Rechtsordnungen zu konsultieren, um festzustellen, ob ein Kundenberater gehörig beaufsichtigt und befähigt ist, Finanzdienstleistungen zu erbringen.
- Ausnahmen von der Registrierungspflicht im Sinne von Art. 28 FIDLEG nur im Falle eines Gegenrechts: Ausnahmen von der Registrierungspflicht im Sinne von Art. 28 FIDLEG sollten nur gewährt werden, sofern der entsprechende ausländische Staat ein Gegenrecht einräumt. Ansonsten wären die Kundenberater von Schweizer Finanzdienstleistern benachteiligt. Kundenberater von Schweizer Finanzdienstleistern unterliegen im Ausland nämlich bereits heute umfangreichen Einschränkungen ihrer Tätigkeiten.
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